| der star und die kritik |
08. August 05
hab ich dir das erzählt, vor einiger zeit hatte ich einmal einen kurzen emailaustausch mit einem amerikanischen star unter den kulturkritikern. der mann war einer der wenigen gewesen, der coldplays neue cd als hervorragend bewertet hatte und ich hatte mich bei ihm ausgeweint, dass mir scheint, wenn du einmal kommerziell erfolgreich bist, dass dir dann die kritik in den rücken fällt und alles was vorher gut war schlecht macht.
und ob du es glaubst oder nicht, gestern um 2300 uhr war es wieder so weit: wir hatten gerade wie mehr als 700.000 andere vor ihren fernsehgeräten, wie 1.500 andere auf dem kapitelplatz oder wie 2.000 andere im großen festspielhaus eine berührende, überzeugende, sängerisch und schauspielerisch einmalige la traviata premiere von den salzburger festspielen gesehen, die menschen zu tränen gerührt nach minutenlangem beifall verließen, wo ein als sehr kritisch bekannter wiener staatsopern direktor für seine verhältnisse fast begeistert akklamierte und dann kam das: franz zoglauer lud drei kritiker zu einer kurzen diskussion. und alle drei fielen über anna netrebko her ob ihrer defizite. nachdem es nicht das aussehen war musste es die stimme sein, die gerade jede menge leute begeistert hatte - oder hatten sich alle nur vom aussehen leiten lassen?
mir ist jedenfalls lieber, jemand versprüht so viel temperament und verspieltheit auf der bühne - jugendliche frische meinetwegen - singt im handstand noch mit voller stimme und mimt glaubhaft eine edelkurtisane, die im laufe des abends wahrscheinlich 10 kilometer auf der bühne zurücklegt, als ich sehe da eine 150 kilo operndiva drei stunden auf dem fleck stehen und ein bisschen mehr nuancen aus verdis noten herauskitzeln. mann, was willst du noch möchte ich den kritiker fragen. sind doch alle nur neidig auf den kommerziellen erfolg den die gute frau aus russland hat, und die vor drei jahren - als sie als donna anna in salzburg debütierte - noch keiner wirklich kannte. schade eigentlich, dass sie wieder ein paar euro mehr in die ach so leeren kassen der deutschen grammophon bringt mit ihrer stimme UND ihrem aussehen und dabei vielleicht ein paar playboy abonnenten der klassischen musik näher bringt.
und wo liegt das problem wenn ich mir denke: alfredo, diese scheine würd ich ihr jetzt auch gerne um die ohren hauen wenn rolando villazon ihr das geld in den ausschnitt ihres kleides steckt? so ist die welt heute nun einmal - sagen die einen, die anderen werden dir erklären, dass sie immer schon so war, nur nicht alle darüber bescheid wussten!
interessant war ja dann der schlusssatz des standard kritikers, sinngemäß: diese produktion werde man wohl nicht nach wien bringen können, denn ohne diese drei sänger (netrebko, villazon und hampston) wäre die aufführung ja nur die hälfte wert. war sie also doch toll, die netrebko? schon alle defizite vergessen? nun ja, bis er den artikel für die zeitung geschrieben hatte, war aus dem ja, aber ein ja, aber - trotzdem ja geworden:
ihre rollengestaltung ist eine schauspielerische. im stimmlichen bereich beschränken sich ihre mittel jedoch auf schönklang und dynamische facetten. da bräuchte es wohl mehr an vokalen farben. aber welche intensität!
und was beweist dir das jetzt wieder: ob es dir gefallen hat oder nicht, weißt du am besten immer selbst!